1.1 Das Bischofsamt in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schleswig-Holstein
1.1.1 Die Neuordnung von 1918 bis zum Zusammenbruch 1945 Mit dem Ende des 1. Weltkrieges und der Abschaffung der Monarchie 1918 war der Verlust des landesherrlichen Kirchenregimentes verbunden. Aus der evangelischlutherischen Kirche der Provinz Schleswig-Holstein entwickelte sich die evangelisch-lutherische Landeskirche Schleswig-Holstein. Ab 1921 wurde dazu über die Schaffung einer vom Staat getrennten, selbstverwalteten Kirche verhandelt. Konfliktpunkte waren die Bischofsfrage, die Bekenntnisfrage und die Frage des Wahlrechts. Trotz andauernder Diskussionen über die Einführung eines Amtes als Landesbischof wurde an den zwei historisch gewachsenen Bischofsämtern für Schleswig und Holstein (neben dem gleichberechtigten Superintendenten für Lauenburg) festgehalten, die beide ihren Sitz in Kiel hatten. Die Verhandlungen resultierten 1924 in der per Staatsgesetz verkündeten Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins. Neben der Wiedereinführung des Titels Bischof (für Schleswig bzw. für Holstein) wurden Stellung und Aufgaben des leitenden geistlichen Amtes neu festgelegt:
- Der Bischof wird von der Landessynode auf Lebenszeit gewählt. (§ 135 Abs. 1, Verfassung der LK S-H) - Er ist Mitglied der Kirchenregierung (Vorsitzender bzw. sein Stellvertreter) und auch des Landeskirchenamtes. (§§ 124 Abs. 1 u.2; 143 Abs. 1, Verfassung der LK S-H) - Er gehört der Landessynode als nichtsynodales Mitglied der Kirchenregierung an. (§ 121, Verfassung der LK S-H) - Der Bischof ist unabhängiger, oberster geistlicher Leiter in seinem Sprengel, muss sich in grundsätzlichen Fragen jedoch mit den Kollegen abstimmen. (§ 136 Abs. 1 u.3, Verfassung der LK S-H) - Zu seinen Aufgaben gehört neben den Visitationen und der Ordination die Aufsicht über die kirchliche Ausbildung, die Seelsorge für alle Geistlichen des Sprengels, die Abhaltung jährlicher Pröpstekonvente, die Kontaktpflege zur Inneren und Äußeren Mission, sowie die Fürsorge für kirchliche Arbeiten und die Wahrung kirchlicher Interessen in Schule und Erziehung.
Am 16.10.1924 wurde der Kieler Generalsuperintendent Dr. Adolf Hermann Mordhorst zum Bischof für Holstein gewählt. Gleichzeitig wurde er Vorsitzender der Kirchenregierung. Für Schleswig wurde Prof. D. Rendtorff gewählt, der jedoch ablehnte. An seine Stelle trat Eduard Völkel, Propst von Itzehoe. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und dem Erstarken der Deutschen Christen begann der Niedergang der unabhängigen Landeskirche. 1933 löste die sogenannte Braune Synode die Landessynode auf, und ebenfalls 1933 wurde die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) gegründet. Mit der Neugründung wurde eine Neuwahl aller kirchlichen Körperschaften erzwungen. Auf der Braunen Synode wurden ebenfalls die beiden Bischofsämter aufgehoben und stattdessen ein gemeinsamer Landesbischof eingesetzt. Dies wurde Adalbert Paulsen, der jedoch nicht von allen Geistlichen anerkannt wurde und 1945 sein Amt niederlegen musste. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten war die Landeskirche in die Reichskirche eingegliedert und die Funktion des Bischofs wurde ab 1937 auf eine rein geistliche reduziert.
1.1.2 Von der Neuordnung zur Schaffung der Nordelbischen Kirche Nach dem Zusammenbruch 1945, der die Staatsabhängigkeit der Kirche endgültig beseitigte, stellte Landesbischof Paulsen am 09.07.1945 sein Amt in Erwartung der bevorstehenden Neuordnung zur Verfügung. Die vom 14. bis zum 16.08.1945 in Rendsburg tagende Vorläufige Gesamtsynode schuf eine neue Verfassungsgrundlage für die Landeskirche. Sie bildete eine vorläufige Kirchenleitung, deren Aufgaben die Kirchenregierung, geistliche Leitung und Kompetenzfestsetzung für das neue Landeskirchenamt waren. Den Vorsitz führte durch Wahl der spätere Bischof für Holstein, D. Wilhelm Halfmann. Zusätzlich wurde ein Verfassungsausschuss gebildet, der auf Grundlage der Verfassung von 1922 eine umfassende Neuordnung der Landeskirche anstreben sollte, die in der Rechtsordnung von 1958 ihren Abschluss fand. Schon bei der zweiten Tagung der Gesamtsynode (2.-6.9.1946) entschied man sich für die Beibehaltung bzw. Wiedereinführung von zwei Bischofsämtern. Jeweils einer der beiden Bischöfe sollte von der Synode zum Vorsitzenden der Kirchenleitung gewählt werden. Gewählt wurden als Bischöfe für Holstein D. Halfmann mit Amtssitz in Kiel und für Schleswig der Missionsdirektor Dr. Pörksen, der jedoch sein Amt nicht antrat. Aus diesem Grund wurde auf der dritten Tagung im November beschlossen, dass Halfmann mit Hilfe zweier Landespröpste den Sprengel Schleswig bis zur Verfassunggebenden Synode verwalten sollte. Der Amtssitz des Bischofs für Schleswig sollte prinzipiell aber wieder nach Schleswig zurückverlegt werden. Im März 1947 wurde Reinhard Wester, der Vorsitzende des Bruderrates im Kirchenkampf, nach seiner Rückkehr aus der britischen Kriegsgefangenschaft von der Kirchenleitung unter der Amtsbezeichnung Oberkirchenrat zum Bischofsvikar und Landespropst für Schleswig ernannt (vgl. 16.13 Nr. 1). Die erste Landessynode der Nachkriegszeit tagte unter dem Namen 5. ordentliche Landessynode in Rendsburg vom 13. bis zum 17.10.1947. Nach erneuten Diskussionen um die Anzahl der Bischöfe einigte man sich auf zwei und wählte am 15.10.1947 Reinhard Wester zum Bischof für Schleswig. Die Kirchenleitung blieb wie ihr Vorgänger, die Kirchenregierung, ein gemischt synodal-episkopales Organ, das von einem durch die Landessynode auf Amtszeit gewählten Bischof geleitet wurde. Das Amt des Bischofsvikars, obwohl im Kirchengesetz eigens geschaffen, ist nie realisiert worden. Diese vorläufigen Regelungen sind bis zum Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung am 01.01.1959 gültig geblieben. Mit dieser Rechtsordnung hatte die Landeskirche die Verfassung von 1922 außer Kraft gesetzt und sich eine neue gegeben, die bis zur Gründung der Nordelbischen Kirche 1977 Bestand hatte. Nach dem Tod Bischof Halfmanns wurde 1964 der in Indien geborene Christoph Friedrich Wilhelm Hübner Bischof von Holstein, bis er 1981 emeritiert wurde.
1.2. Das Bischofsamt in der Nordelbischen Kirche Erstmals wurde die Idee einer einheitlichen Nordelbischen Kirche auf der Generalsynode der VELKD 1953 öffentlich formuliert. Am 25.9.1959 entschlossen sich die Kirchenleitungen der Landeskirchen Schleswig-Holsteins, Hamburgs, Lübecks und Eutins dazu, sich in Zukunft zu einer einheitlichen Kirche zusammenzuschließen. Erste Verhandlungen über einen Verfassungsentwurf scheiterten jedoch 1965 an der Frage der Anzahl der Bischöfe und Sprengel. Während Hamburg sich für einen Bischof und mehrere Landespröpste in den Sprengeln einsetzte, war man in Schleswig-Holstein für fünf Bischöfe in fünf Sprengeln. Diese Auseinandersetzung um die Anzahl - über Wesen und Funktion von Bischofsamt und Sprengel herrschte längst Einigkeit - zog sich weiter hin, bis es im Mai 1970 zum Kirchenvertrag über die Bildung der Nordelbischen Kirche (NEK) kam. Die am 19.09.1970 konstituierte Verfassunggebende Synode ließ schließlich eine Verfassung ausarbeiten, die nach dritter Lesung am 12.6.1976 angenommen wurde. In dieser Verfassung, die am 01.01.1977 in Kraft trat, regeln die Artikel 88-93 die Aufgaben und Stellung der Bischöfe. Sie haben in ihren Sprengeln die geistliche Leitung und Aufsicht und müssen Sorge tragen für die Einheit und das Wachstum der Kirche im Glauben und in der Liebe (Art. 88 Abs. 1, Verfassung der NEK). In der Nordelbischen Kirche sollte es nun drei Bischöfe geben, je einen für die Sprengel Hamburg, Holstein-Lübeck und Schleswig. Sie gehören durch ihr Amt zur Kirchenleitung; einer von ihnen führt dort nebenamtlich den Vorsitz, die beiden anderen sind seine Stellvertreter. In ihren Sprengeln steht ihnen ein ständiger Stellvertreter zur Verfügung. Auch die Frage des Amtssitzes ist in der Verfassung geklärt: Der Bischof für den Sprengel Holstein-Lübeck residiert in Lübeck. Kiel verlor somit seinen Status als Bischofssitz. In der Nordelbischen Kirche wird der Bischof zwar weiterhin von der Synode, aber nur auf zehn Jahre, mit qualifizierter Mehrheit (Art. 93 Abs. 1, Verfassung der NEK) gewählt. Wiederwahl ist allerdings zulässig. Wahlvorschläge unterbreitet ein gemischt besetzter Wahlausschuss. Die Bischöfe müssen der Synode jährlich aus ihren Sprengeln einen Bericht vorlegen. Bei öffentlichen Erklärungen müssen alle drei Bischöfe zusammen auftreten. Im Jahre 1988/89 sollte es zu einer grundsätzlichen Verfassungsänderung kommen, die der 1986 eingesetzte Verfassungsausschuss ausgearbeitet hatte. Änderungswünsche kirchlicher Gremien und die bisherige Erfahrung zeigten, dass die Leitung der Gesamtkirche eine Aufgabe ist, die nebenamtlich nur schwer zu bewältigen ist. Abermals stand somit die Zahl der Bischöfe zur Disposition. In einem ersten Entwurf waren nur noch zwei Bischöfe vorgesehen, einer in Kiel mit Vorsitz in der Kirchenleitung, einer in Hamburg für die Stellvertretung. Die geistliche Leitung in den Sprengeln Schleswig und Holstein-Lübeck sollte durch das neu zu schaffende Amt eines Sprengelpropstes ausgeübt werden. Dieser Vorschlag wurde jedoch sehr bald abgelehnt und durch einen neuen ersetzt, der die Schaffung eines neuen, vierten Bischofsamtes mit Sitz in Kiel für die ausschließliche Leitung der Gesamtkirche vorsah. Weder dieser noch ein veränderter Vorschlag, der dem Kieler Bischof einen kleinen Sprengel zuordnete, wurde von der Synode im September 1989 anerkannt. Stattdessen wurde an der ehrenamtlichen Leitung der Gesamtkirche festgehalten. Die Bischöfe werden seitdem zu einem Bischofskollegium zusammengefasst, in dem jeder einzelne gesamtkirchliche Aufgaben übernimmt. Der Bischof von Holstein-Lübeck ist u.a. für die Ausbildung der Theologen, die Familienbildungsstätten und die Landesvolkshochschule Koppelsberg zuständig. Mit dem 19. Kirchengesetz zur Änderung der Verfassung der NEK vom 8. Oktober 2007 wurden die bisherigen drei Sprengel auf zwei reduziert. Diese Änderung wurde 2008 mit dem Ausscheiden aus dem Amt von Bischöfin Wartenberg-Potter umgesetzt. Der ehemalige Sprengel Holstein-Lübeck fusionierte teils mit dem Sprengel Nord (Schleswig und Holstein), teils mit dem Sprengel Süd (Hamburg und Lübeck).
1.3 Liste der Bischöfinnen und Bischöfe für Holstein-Lübeck Adolf Hermann Mordhorst 1917-1933 (emeritiert) Amtssitz Kiel Ab 1924 Bischof für Holstein
Adalbert Paulsen 1933-1945 (zurückgetreten) Amtssitz Kiel Titel: Landesbischof Alleiniger Bischof für Schleswig und Holstein
Wilhelm Halfmann 1946-1964† Titel: Bischof für Holstein
Christoph Friedrich Wilhelm Hübner 1964-1981 (emeritiert) Titel: Bischof für Holstein
Ulrich Wilckens 1981-1991 (emeritiert) Titel: Bischof für Holstein-Lübeck Erster auf 10 Jahre gewählter Bischof für den Sprengel Holstein-Lübeck in der NEK
Karl Ludwig Kohlwage 1991-2001 Titel: Bischof für Holstein-Lübeck
Bärbel Wartenberg-Potter 2001-2008 Titel: Bischöfin für Holstein-Lübeck |
a. Archivische Bearbeitung Seit 1996 wurde der gesamte Bestand sowie die weiteren Ablieferungen durch Stefan Valkyser, dann weiter durch Heike Homeyer, Michael Kirschke, Gabriele Baus, Anne-Christin Draeger und Benjamin Hein erschlossen. Die Klassifikation orientierte sich zunächst am Aktenplan der Bischofskanzlei von 1991. Der Bestand wurde 2018 von Benjamin Hein revidiert und die Klassifikation neu gefasst. Da zu einem früheren Zeitpunkt wohl das Aktenzeichen als Archivsignatur verwendet wurde, findet sich beides unter „alte Archivsignatur". Eine neuerliche Revision nach der aktuellen Erschließungsrichtlinie wurde 2023 von Ulrich Stenzel durchgeführt. Die Klassifikation wurd enur geringfügig angepasst. Titelansätze und Schutzfristen wurden dagegen in hohem Maße bearbeitet.
b. Bestandsgeschichte Der vorliegende Bestand setzt mit wenigen Ausnahmen 1945 ein. Der zeitlich weiter zurückreichende Teil dürfte im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden sein. Aufgrund der Personalunion von Kirchenleitungsvorsitz und Bischofsamt in der Person Wilhelm Halfmanns bzw. der Identität der Aufgaben zur Zeit der Vorläufigen Kirchenleitung ist in den Jahren 1945 bis ca. 1947 bei der Aktenführung für diese Ämter kein Unterschied gemacht worden. Ablieferungen von Akten der Bischofskanzlei in Lübeck erfolgten in Abständen seit 1992 bis zur Auflösung der Bischofskanzlei mit Ablauf des Jahres 2008. Zudem wurden Teile des Nachlasses Bischof Hübner (Dienstakten) überführt.
a. Es kann auch in folgenden Beständen Archivgut gefunden werden: LKANK, 11.01, Kirchenleitung (Schleswig-Holstein) LKANK, 11.11, Landeskirchenamt (Schleswig-Holstein) LKANK, 13.01, Bischof (Lübeck) LKANK, 16.11, Kirchenleitung (Nordelbien) LKANK, 16.12, Bischof für Schleswig (Nordelbien) LKANK, 16.14, Bischof für Hamburg (Nordelbien) LKANK, Hübner, Friedrich (Bischof) LKANK, Halfmann, Wilhelm (Bischof) LKANK, Kohlwage, Karl Heinz (Bischof) LKANK, Wartenberg-Potter, Bärbel (Bischöfin)
Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abteilung 19: Generalsuperintendent von Holstein
b. Literaturangaben: Göldner, Horst; Blaschke, Klaus: Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche: Erläuterungen, Kiel 1978. Hein, Benjamin: Die Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins. Zum 150jährigen Bestehen des Landeskirchenamts in Kiel. Kiel 2017. Hoffmann, Erich: Das landesherrliche Kirchenregiment im königlichen Anteil der Herzogtümer Schleswig und Holstein 1544-1721, in: Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Bd. IV, Neumünster 1984, S. 73-133. Hoffmann, Gottfried Ernst: Die Konsistorialverfassung in Schleswig-Holstein von der Reformation bis zum Ende des deutsch-dänischen Gesamtstaates, in: Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe, Bd. XXIII/XXIV (1967/68), S. 9-30. Jürgensen, Kurt: Die Stunde der Kirche: Die Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. - Neumünster 1976 (Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Reihe 1; 24). Lange, Hartmut: Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche: Vorgeschichte und rechtliche Gliederungsprobleme, Kiel 1972. Reumann, Klauspeter (Hrsg.): Kirche und Nationalsozialismus, Neumünster 1988. Schoen, Paul: Das evangelische Kirchenrecht in Preußen, Bd. 1, Aalen 1967. |