Musik war und ist stets ein Ausdruck des christlichen Glaubens und fester Bestandteil der Liturgie. Nach Martin Luther soll die Musik als „Hilfsmittel dazu dienen, das Evangelium Gottes in Christus gottesdienstlich zu verkünden. J.S. Bach erweiterte diese Forderung in seiner Generalbasslehre dahingehend, daß alle Musik Gott ehren soll, sonst sei sie keine Musik: „Und soll alles Music Finis und Uhrsache anders nicht als nur zu GOTTES Ehre und Recreation des gemüths sein. Wo dieses nicht in acht genommen wird, da ist´s keine eigentliche Music, sondern ein teufflisch Geplärr und Geleier. Gesang, Instrumentalmusik und Liturgie haben in den verschiedenen historischen Epochen trotz kontinuierlicher Elemente viele Veränderungen erfahren. Der Grad einer bewussten Pflege der Kirchenmusik sowie die Schaffung und Erhaltung eines künstlerischen Standards darf insgesamt als ein Indiz dafür genommen werden, welche Bedeutung die Kirche der Kirchenmusik beimisst.
Das es mit dem musikalischen Niveau nicht immer so gut bestellt war, lässt das Konsistorial-Schreiben vom 12. Juli 1902 vermuten: „[...] Ueberhaupt ersuchen wir die Synodalausschüsse, der Pflege der Kirchenmusik nach Möglichkeit ihr Interesse schenken zu wollen. Bei den Visitationen ist nach Vermögen auf das Orgelspiel zu achten.[...]. Insbesondere ist bei Gelegenheit der Visitation, sofern das nöthig ist, dem ungehörigen Zwischenspiel und unkorrekten wie werthlosen Ueberleitungen, sowie der Wahl ungeeigneter Vor- und Nachspiele, letzteres unter Hinweis auf die vom Provinzialverein zur Pflege kirchlicher Musik herausgegebenen Sammlungen, entgegenzutreten. [...]. Es wurde in diesem Schreiben ebenfalls bemängelt, dass bei der üblichen Kombination der Organisten- und Schullehrerstelle (Seminaristenausbildung) sehr häufig keine ausreichende musikalische Ausbildung vorhanden sei.
Diesem Mangel begann erst die selbständige Landeskirche Schleswig-Holsteins 1924 durch die Errichtung der Landeskirchlichen Schule für Kirchenmusik in Eckernförde zu begegnen:
Im Bericht über die Neueröffnung wurde mit Recht bemerkt, dass es sich bei der gesamten Einrichtung der Schule um „Neuland handele. Bei dem gesamten Konzept hat man sich an den Richtlinien des Evangelischen Oberkirchenrates in Berlin für die Gründung von evangelischen Kirchenmusikschulen orientiert, obwohl die schleswig-holsteinische Landeskirche daran formell nicht gebunden war.
Einen Schritt weiter ging die Kirchenregierung mit der „Anstellung eines landeskirchlichen Musikdirektors 1929 in der Person des Organisten Richard Liesche von der Kirchengemeinde St. Nicolai, Flensburg. Ihm wurde die fachliche Beratung auf allen Ebenen der Landeskirche übertragen, die Aufsicht über den Orgelbau, die Beratung bei Aus- und Fortbildung sowie die Beratung bei Glockenanschaffungen. Er konnte tätig werden auf Ersuchen des Landeskirchenamtes oder der Kirchengemeinden. Richard Liesche wurde von Erwin Zillinger abgelöst, der die Amtsbezeichnung Landeskirchenmusikdirektor trug. Als Erwin Zillinger 1939 nach Lübeck ging, war das Amt vakant. Per Verordnung vom 7. Juni 1939 ließ der deutsch-christliche Präsident des Landeskirchenamtes Christian Kinder statt dessen eine „Landeskirchliche Stelle für Kirchenmusik errichten. Leiter dieser Stelle wurde im Nebenamt Pastor D. Theodor Voß; Mitglieder waren die Organisten Dr. Deffner (Kiel), Rienecker (Tönning), Haller (Schleswig) und Schulze (Elmshorn). Die Aufsicht über die Kirchenmusik wurde damit zum einen in die unmittelbare Kompetenz des Landeskirchenamtes gezogen (das Landeskirchenamt hatte die Richtlinienkompetenz), zum anderen mit der Beauftragung eines Theologen als Leiter in seiner musikalisch-professionellen Bedeutung geschwächt.
An dieser Stelle muss das Augenmerk auf die Lübecker Landeskirche gerichtet werden, da die kirchenmusikalische Ausbildung sich allmählich dorthin verlagerte:
1933 wurde das private "Lübecker Konservatorium für Musik" durch die Stadt Lübeck übernommen. Neue Bezeichnung lautete: "Lübecker Staatskonservatorium und Hochschule für Musik". Hugo Distler wurde bis 1937 Leiter der neugeschaffenen Kirchenmusikabteilung Die Ausbildung umfasste die nebenamtliche und die vollamtliche (vollakademisches Hauptamt) Tätigkeit als Kirchenmusiker.
Im April 1938 erfolgte die Umbenennung des "Lübecker Staatskonservatoriums..." in "Landesmusikschule Schleswig-Holstein". (N.B.: Durch das sogenannte Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 verlor die Hansestadt Lübeck ihre Eigenstaatlichkeit und wurde Schleswig-Holstein eingegliedert, während die Lübecker Landeskirche weiterhin ihre Eigenständigkeit behielt). Per Vertrag vom 11. Januar 1939 zwischen den Landeskirchen Schleswig-Holsteins und Lübecks sowie der Hansestadt Lübeck übernahm die Kirchenmusikabteilung der Landesmusikschule Schleswig-Holsteins zu Lübeck die Aufgaben einer landeskirchlichen Musikschule für die Landeskirchen Schleswig-Holsteins und Lübecks und erhielt die Bezeichnung "Landesmusikschule Schleswig-Holstein / Abteilung Kirchenmusikschule". Damit wurde wohl auch die Landeskirchliche Schule für Kirchenmusik in Eckernförde aufgelöst. Die kirchenmusikalische Ausbildung in der Landeskirche Schleswig-Holsteins war ab diesem Zeitpunkt eng an die Stadt Lübeck gekoppelt. 1939 - 1945 wurde der Ausbildungsbetrieb in der Landesmusikschule stark eingeschränkt. Nach Verlust des Schulgebäudes (einschließlich Bibliothek, Orgel, Musikinstrumentensammlung) durch Ausbombung (1942) setzten die Lehrkräfte den Unterricht in ihren Privatwohnungen fort.
Ehe wieder die Entwicklung in der Landeskirche Schleswig-Holsteins weiterverfolgt wird, sei die Chronik der Landesmusikschule in Lübeck in Stichworten weiterverfolgt:
1945 Wiederaufnahme des regulären Unterrichts in behelfsmäßigen Gebäuden. [Festschrift, S. 27].
1950 Umbenennung in "Schleswig-Holsteinische Musikakademie und Norddeutsche Orgelschule". Die Kirchenmusik wird gefördert durch den neuen Leiter und Marien-Organist Prof. Walter Kraft (bis 1955). [Festschrift, S. 27].
1950 - 1969 Direktor der Musikakademie ist Jens Rohwer. Leiter der Kirchenmusikabteilung von 1955 bis 1967 der Marien-Kantor Prof. Eugen Simmich, seit 1967 der Domorganist Prof. Uwe Röhl. [Festschrift, S. 29].
1969 Umwandlung der Musikakademie in die "Staatliche Fachhochschule für Musik". Damit endet die Unterhaltspflicht der Stadt Lübeck und der Landeskirchen. [Festschrift, S. 29].
1973 Aus der Fachhochschule wird die im Landeshochschulgesetz verankerte "Musikhochschule Lübeck". Die Hochschule wird in 5, später 6 Institute aufgegliedert. Darunter das "Institut für Kirchenmusik". [Festschrift, S. 30]. Studienabschlüsse Kirchenmusik (Stand 1993) Studiendauer: 8 Semester Kirchenmusik B, weitere 4 Semester Kirchenmusik A (Prüfung in Kirchenmusik B muß abgelegt sein). Abschluß: Diplom-Kirchenmusiker A bzw. B. Berufsfeld: Organist und Kantor. [Festschrift, S. 133].
Zurück zur Landeskirche Schleswig-Holsteins:
Die 1939 errichtete Landeskirchliche Stelle für Kirchenmusik existierte nach 1945 weiter und kümmerte sich in der direkten Nachkriegszeit vor allem um den Aufbau bzw. Ersatz zerstörter Orgeln. Pastor D. Voß war weiterhin Leiter der in der Kirchhofallee in Kiel residierenden landeskirchlichen Stelle. Per Verordnung vom 20. Mai 1949 wurde die Landeskirchliche Stelle für Kirchenmusik aufgelöst und deren Aufgaben wieder dem Landeskirchenmusikdirektor übertragen. Mit dieser Verordnung wurden weiterhin die Ämter des Landeskirchlichen Singeleiters sowie der Propsteibeauftragten für Kirchenmusik eingeführt. Erster Landeskirchenmusikdirektor nach 1945 war Otto Meuthin aus Hamburg. Die Umstrukturierungen im Zuge der Umbenennung der Landesmusikschule in Lübeck im Jahre 1950 (s.o.) waren indes nicht zur Zufriedenheit der Kirchenmusiker in der Landeskirche Schleswig-Holsteins verlaufen: Zwar wurde Kirchenmusik weiterhin dort gelehrt und durch den Lübecker St. Marien-Organist Prof. Walter Kraft auch gefördert, aber die eigenständige kirchenmusikalische Abteilung war 1950 vorerst aufgelöst. Unterstützt von dem Schleswig-Holsteinischen Landeskirchenmusikdirektor Otto Meuthien warfen die Ricklinger Anstalten des Landesvereins für Innere Mission der Musikakademie in Lübeck Vernachlässigung der kirchenmusikalischen Ausbildung und Ausschaltung der Landeskirche Schleswig-Holsteins vor.
Die Ricklinger Anstalten gründeten daraufhin 1952 eine eigene Kirchenmusikschule unter der künstlerischen Leitung des Landeskirchenmusikdirektors. Die Auseinandersetzung zwischen Rickling und Lübeck war auch ein Streit um die theologische Bedeutung der Kirchenmusik, die Rickling in der strikten Interpretation von Martin Luther sah und gegen eine Verweltlichung verteidigte. Inwieweit es sich außerdem um eine zwischenkirchliche Rivalität Schleswig-Holstein - Lübeck handelte, kann hier nicht beurteilt werden.
1955 beschloss die Kirchenleitung in Schleswig-Holstein, die Kirchenmusikschule in Rickling zu schließen.
Die Verlagerung der akademischen A- und B-Musikerausbildung an eine staatliche Hochschule war schon aus Kostengründen unausweichlich, während die Abnahme der C-Prüfung für nebenamtliche Kirchenmusiker auch heute allein bei der Landeskirche bzw. dem Landeskirchenmusikdirektor oder der -direktorin liegt.
Nach dem Klärungsprozess der 1950er Jahre wurde 1969 von der Landeskirche Schleswig-Holsteins die Kirchenmusik im Kirchenmusikergesetz vom 14. November 1969 neu und detailliert geregelt , unter anderem die Einstufung der A-, B- und C-Musiker, Aus- und Fortbildung sowie die Aufgaben des Landeskirchenmusikdirektors. Mit der Gründung der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche zum 1. Januar 1977 wurde auch für die Kirchenmusiker ein neues Gesetz notwendig, das alle bisherigen landeskirchlichen Gesetze aufhob (Kirchenmusikergesetz vom 9. Juni 1979; in: Gesetz- und Verordnungsblatt 1979, S. 195 ff.). Diese Rechtsgrundlage wurde mit dem Kirchengesetz zur Ordnung des Dienstes der Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 4. Dezember 2007 (GVOBl. 2008 S. 8) aktualisiert.
Seit gut 20 Jahren ist dieses System kirchlich-staatlicher Ausbildung und bewusster kirchlicher Pflege der Kirchenmusik und Fortbildung der Kirchenmusiker unverändert und stabil. Der Landeskirchenmusikdirektor als der Fachvorgesetzte aller nordelbischen Kirchenmusiker ist daher eine zentrale Institution und die schriftliche Überlieferung ein wichtiges Stück Kirchenmusikgeschichte.
Die Bildung der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland bedeutete keine grundsätzliche Änderung für den Auftrag und die Zuständigkeiten. Dennoch ist hier die Zäsur zu setzen, da es sich um eine neue Körperschaft mit einem anderen Zuschnitt handelt. |
a. Archivische Bearbeitung Im Jahr 2000 wurde im Nordelbischen Kirchenarchiv von Judith Augustin eine Neuverzeichnung des gesamten Bestandes vorgenommen. Für einen Teil der Akten (Abgabe Röhl) existierte bereits eine Verzeichnung von Oberarchivrat Weimann. Diese und die später abgegebenen Sachakten wurden mit einer neuen sachsystematischen Klassifikation versehen. Die umfangreiche Abteilung der Zeugnisse wurde durch Ziehung einer repräsentativen Quote (Buchstaben D, O und T) reduziert. Alle übrigen Zeugnisse wurden kassiert. Die Liste der kassierten Zeugnisse (Name, Vorname, Art und Jahr der Prüfung) befindet sich unter der Signatur Nr. 478 im Bestand. Es kann also trotz fehlender Zeugnisakte nachgewiesen werden, daß die jeweilige Prüfung abgelegt worden ist.
Der Bestand wurde mit dem EDV-Archivprogramm AUGIAS 7.2 erschlossen.
b. Bestandsgeschichte Das gesamte Schriftgut dieser kirchlichen Stelle wurde und wird im Büro bzw. am Dienstsitz des LKMD geführt. Dieses Büro ist in der Regel an keine andere Verwaltungsstelle angekoppelt; Uwe Röhl hatte sein Büro in der Musikhochschule Lübeck. Zu Ende seiner Amtszeit, 1976, erfolgte auch die erste Schriftgutabgabe an das damalige landeskirchliche Archiv in Lübeck. Von dort aus sind diese Akten an das Nordelbische Kirchenarchiv gelangt. In den nächsten Jahren sind von den Amtsinhabern weiteres Schriftgut an das Nordelbische Kirchenarchiv abgegeben worden. Leider sind diese Abgaben nicht dokumentiert worden. Es ist zu vermuten, dass durch die nicht geregelten Abgaben Akten verloren gegangen sind. So wurde 1998 vom Nordelbischen Kirchenarchiv aus vergeblich nach den Schülerakten der ehemaligen Musikschule Rickling gefahndet, die jetzt als verschollen zu vermelden sind.
3. Hinweise auf andere Bestände; Literaturangaben
a. Hinweise auf andere Bestände LKANK, 31.2.05, Landeskirchenmusikdirektorin/Landeskirchenmusikdirektor (Nordkirche)
b. Literaturangaben Denkschrift über wichtige Erscheinungen des kirchlichen Lebens in der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche seit Einführung der Verfassung / der 3. ordentlichen Landessynode erstattet von der Kirchenregierung, Kiel 1928 Rektorat der Musikhochschule Lübeck (Hrsg.): 60 Jahre Musikhochschule Lübeck: 1933 - 1993 [Festschrift zum 60. Jubiläum der Musikhochschule Lübeck]. Mit Beiträgen von Heide Andreas, Lübeck 1993 Frahm, Dieter: Kirchenmusik in der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche. Eine Denkschrift, 1995 (Broschüre) |