Sekten- und Weltanschauungsfragen - die Arbeit zu diesem Bereich ist in der Nordelbischen Kirche eng mit dem Namen Detlef Bendrath verknüpft.
Pastor Bendrath wurde am 1.Oktober 1977 zum hauptamtlichen Beauftragten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche für Sekten- und Weltanschauungsfragen ernannt. Lange vor dieser Ernennung war Pastor Bendrath bereits ehrenamtlich für die Lübecker und Schleswig-Holsteinische Landeskirchen als Beauftragter tätig. Er kann als echter Pionier dieses Arbeitsgebietes angesehen werden.
Pastor Bendrath wurde am 1. August 1965, etwa ein Jahr nach seiner Ordination, zum nebenamtlichen Beauftragten für Weltanschauungsfragen der Lübecker Landeskirche berufen. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, welches Ausmaß dieser Arbeitsbereich in den folgenden Jahren annehmen würde. Die zumeist nebenamtlich tätigen Beauftragten der Landeskirchen hatten es bisher mit einer relativ überschaubaren Gruppe der sogenannten klassischen Sekten (Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche u.a.) zu tun gehabt. Das Aufkommen der sogenannten Jugendreligionen, Gurubewegungen und Psychoorganisationen vor allem in den 1970er Jahren stellte Kirche und Gesellschaft vor unerwartete Probleme. Lange bevor staatliche Stellen darauf reagierten, leisteten die Beauftragten der Landeskirche Pionierarbeit.
Von Anfang an wurde großer Wert auf einen fundierten Erfahrungsaustausch, guten Informationsfluss und engen Arbeitszusammenschluss zwischen den einzelnen landeskirchlichen Beauftragten gelegt. Seit 1966 nahm Pastor Bendrath an den Jahreskonferenzen der 1960 gegründeten 'Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen' teil. Ebenfalls 1966 wurde er Mitglied des Arbeitskreises 'Religiöse Gemeinschaften' der VELKD, dessen Vorsitzender er 1972 wurde. 1968 gründete er den 'Nordelbischen Arbeitskreis für Sekten' mit.
1975 wurde Pastor Bendrath zum nebenamtlichen Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Landeskirche Schleswig-Holstein berufen. Es wurde bald klar, dass dieser Aufgabenbereich nebenamtlich nicht mehr zu bewältigen war. Die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle wurde mit Gründung der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche 1977 zwingend erforderlich.
Im Mittelpunkt der Arbeit des Weltanschauungsbeauftragten steht die Betreuung und Beratung von Betroffenen und Ratsuchenden. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, waren eine kontinuierliche Sammlung, sowie Austausch und Weitergabe von Informationen erforderlich. Ab 1978 bestand laufend Kontakt mit Prof. Joh. Aagaard von der Universität Aarhus und dem Dialog Center International. Eine umfangreiche Informationssammlung wurde zusammengestellt und ständig erweitert. Pastor Bendrath unternahm mehrere sektenkundliche Studienreisen u.a. 1980 und 1990 in die USA sowie 1996 nach London und Cornwall.
In Deutschland trat er immer wieder in direkten Kontakt mit den unterschiedlichsten religiösen Gemeinschaften. Leitlinie der Arbeit war dabei die Fragestellung, inwieweit die Menschen Abhängigkeit und Fremdbestimmung durch die Gruppierungen und Gemeinschaften erfahren und die Religionsfreiheit ausgenutzt und gefährdet wird. Die Weltanschauungsbeauftragten leisteten ihre Arbeit auf der Grundlage eines klaren christlichen Standpunktes nicht nur für die Kirche, sondern in engem Kontakt zu staatlichen Stellen und Landesbehörden für die ganze Gesellschaft.
Um eine bessere Unterstützung und Betreuung von Betroffenen zu erreichen wurde 1978 zusätzlich die 'Elterninitiative gegen seelische Abhängigkeit und Mißbrauch der Religion in Hamburg und Schleswig-Holstein e.V.' gegründet, deren Vorsitz Pastor Bendrath übernahm.
Das Aufgabenspektrum verdeutlicht immer wieder, daß unsere plurale Gesellschaft zwangsläufig auch eine plurale Religiosität hat, in der Orientierungshilfen dringend benötigt werden. Die Kirche selbst aber ist Teil dieser pluralen Gesellschaft und deshalb zu einem vielschichtigen Gebilde geworden. Die Beobachtung und Analyse von Gruppen und Gruppierungen innerhalb der verfaßten Kirche nahm in den vergangenen Jahren einen immer größeren Raum in der Arbeit der Weltanschauungsbeauftragten ein. Auch hier galt als Kriterium die Aufdeckung von Abhängigkeiten und Fremdbestimmungen der Menschen.
Aus diesen Arbeitsgrundlagen und dem zusammengetragenen Informationspool entstand unter Mitwirkung von Detlef Bendrath das 'Handbuch Religiöse Gemeinschaften' des Arbeitskreises 'Religiöse Gemeinschaften' der VELKD. Es ist das kirchliche evangelisch-lutherische Standardwerk für den Bereich Sekten- und Weltanschauungsfragen. Die fünfte Auflage ist zur Zeit in Bearbeitung.
Zahlreiche Vorträge, Seminare, Erstellung von Verteilmaterialien und kleinen Informationsschriften sowie Gutachten, Presseartikel, Gespräche mit Rundfunk und Fernsehen gehörten zu den Arbeitsschwerpunkten der Informations- und Aufklärungsarbeit von Pastor Bendrath. Die während seiner Dienstzeit entstandene umfangreiche Dokumentationssammlung wurde von Pastor Bendrath anläßlich seiner Emeritierung am 31.12.1998 den Amtsinhabern der nordelbischen Pfarrstellen für Sekten- und Weltanschauungsfragen in Hamburg übergeben. |
a. Archivische Bearbeitung Zum Zeitpunkt der Bearbeitung handelte es sich nicht um archivische Erschließung, sondern um eine inhaltliche Erschließung mit Unterstützung des Nordelbischen Kirchenarchivs. Sie sollte die Materialsammlung und den Schriftverkehr des Beauftragten über ein EDV-Programm besser zugänglich machen.
Die Bearbeitung leistete Stefan Wilmer 1999 in den Räumen des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit in Hamburg. Die Verzeichnung des Bestandes in Form einer Direkteingabe in das Archivprogramm AUGIAS 5.0 sowie die Erstellung des Findbuches erfolgte von Juni bis Dezember 1999 durch Stefan Wilmer. Die von Pastor Bendrath ursprünglich in alphabetischer Form angelegte Dokumentations- und Informationssammlung wurde bei der Verzeichnung in zwei Klassifikationsgruppen unterteilt. Die erste Klassifikationsgruppe (Informationsmaterialen über religiöse Gemeinschaften) enthält ausschließlich Informationsmaterialen über Sekten und Weltanschauungsgruppen in Form von Presseartikeln, Kleinschriften, Flugblättern etc., das relativ problemlos für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden kann. Die zweite Klassifikationsgruppe (Schriftwechsel) enthält u.a. Arbeitsberichte, Beratungsunterlagen, Gutachten sowie Schriftwechsel von Pastor Bendrath und anderen Behörden und Dienststellen. Diese Unterlagen unterliegen dem Persönlichkeits- und Datenschutz. Beide Reihen sind nach dem selben Klassifikationsschema geordnet worden, um eine einwandfreie Verzahnung zu gewährleisten. Als Grundlage für die Klassifikation wurde von Herrn Wilmer das 'Handbuch Religiöse Gemeinschaften' (4. Auflage) verwendet. Die Klassifikationen der Gruppen 1 bis 6 sind diesem Buch entnommen und geringfügig modifiziert worden. Um das Klassifikationsschema für weitere Aktenzugänge möglichst flexibel zu halten, wurde in Kauf genommen, dass einige Gruppierungsnummern nicht belegt sind.
2017 wurde der Bestand nach Absprache mit dem Beauftragten für Weltanschauungsfragen geteilt. Die oben beschriebene Reihe, die der Klassifikationsgruppe 1 (Informationsmaterialen über religiöse Gemeinschaften), verbleib beim Weltanschauungsbeauftragten. Die Archivguteinheiten, die in der zweiten Klassifikationsgruppe nachgewiesen sind, wurde vollständig vom Landeskirchlichen Archiv übernommen und neu klassifiziert. Das Archiv verantwortet und weist nach nunmehr diese Archivguteinheiten. Die Benutzung erfolgt jetzt nach den archivrechtlichen Vorschriften.
b. Bestandsgeschichte Der Bestand war ursprünglich eine Altregistratur der Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche mit Dienstsitz in Hamburg. Der Bestand wurde von Pastor Detlef Bendrath Ende 1998 vor seiner Emeritierung nach Hamburg an die dortigen Beauftragten abgegeben. Das Schriftgut wurde seitdem nicht ergänzt. 2017 wurde das Schriftgut endgültig an das Landeskirchliche Archiv abgegeben, während das Sammlungsgut beim Beauftragten verblieb.
Struktur des Schriftgutes Pastor Bendrath hatte in diesem Bestand Informationsmaterialien, Vorträge, Gutachten, Schrift-wechsel zu verschiedenen Sekten und Weltanschauungsgruppen aus der Zeit seiner Tätigkeit von Mitte der 1960er Jahre bis 1998 zusammengefasst. Der Bestand war bei der Übergaben fast komplett alphabetisch nach den Namen der Gruppierungen und Personen sortiert und in 40 Metern Leitzordnern abgeheftet. Eine Stichwortliste mit der Nummernbezeichnung der jeweiligen Ordner sowie Zusatzbemerkungen und Verweisen ermöglichte das Auffinden der Unterlagen auch bei Namenswechsel der Gruppierungen und Verzahnungen mehrerer Gruppierungen miteinander.
Der Bestand ist ein exakter Spiegel der Aufgabenschwerpunkte Pastor Bendraths und der Entwicklung von Sekten und Weltanschauungsgruppen für den Zeitraum Mitte der 1960er Jahre bis 1998.
Der Schwerpunkt des Bestandes liegt auf dem Material, das ab ca. 1977 im Rahmen der hauptamtlichen Tätigkeit Bendraths als Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche zusammengetragen worden ist. Die Anfänge des Bestandes reichen aber bis in die frühen 1960er Jahre zurück.
Der Bestand enthält sehr viel Schriftgut zu den sogenannten Jugendreligionen. Dabei handelt es sich schwerpunktmäßig um Informationen zur Vereinigungskirche (Mun-Bewegung) aus den 1970er und 1980er Jahren, zu den Kindern Gottes (Familie der Liebe) aus den Jahren 1973 bis 1983 und zur Transzendentalen Meditation aus den späten 1970er und 1980er Jahren. Von der Bhagwan-Bewegung ist Material aus den Anfängen 1978 und schwerpunktmäßig 1983 bis 1986 vorhanden. Sie lässt sich unter dem Namen 'Osho' bis in die 1990er Jahre weiterverfolgen. Gruppen wie Hare Krishna (ISKCON), Universelles Leben/ Heimholungswerk Jesu Christi und Brahma Kumaris tauchen in den 1980er Jahren auf. 'Brahma Kumaris' stand im besonderen Interesse von Pastor Bendrath, der sich 1985 in einem eigenen Buch über diese Gruppierung äußerte.
Neben diesen Jugendreligionen zeigt der Bestand z.B. auch das Anwachsen des Okkultismus, der in den späten 1980er Jahren die Weltanschauungsbeauftragten beschäftigte. Die New Age Welle setzte schon ein paar Jahre früher ein und schuf einen bis heute bestehenden eigenen religiösen Markt von Kleinstgruppen und Einzelanbietern. In den 1990er Jahren beschäftigte die Experten für religiöse Gemeinschaften vor allem die seit langem bekannte Scientology.
3. Hinweise auf andere Bestände; Literaturangaben
a. Hinweise auf andere Bestände keine
b. Literaturangaben Bendrath, Detlef: Freude über die eigene Tradition: Betrachtungen und Anmerkungen zur Welt-anschauungsarbeit. - In: Nordelbische Stimmen, 1988, Heft 11, S. 2-4 Goßmann, Hans Christoph (Hrsg.); Lademann-Priemer, Gabriele (Hrsg.); Möller, Jörn (Hrsg.): Identität und Dialog: Christliche Identität im religiös-weltanschaulichen Pluralismus: Festschrift für Detlef Bendrath zum 60. Geburtstag. - Hamburg: E.B. Verlag, 1995 Reller, Horst (Hrsg.): Handbuch Religiöse Gemeinschaften: Freikirchen, Sondergemeinschaften, Sekten, Weltanschauungen, missionierende Religionen des Ostens, Neureligionen, Psycho-Organi¬sationen. - 4. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage - Gütersloh: VELKD-Arbeitskreis Religiöse Gemeinschaften, 1993 |